Stadtplanung in Curitiba

Geographische Situation der Stadt Curitiba

Die Stadt Curitiba, mit vollem Namen “Vila de Nossa Senhora da Luz e Bom Jesus de Pinhais“, liegt im Bundesstaat Paraná, dem ní¶rdlichsten der drei zum Süden Brasiliens gerechneten Staaten. Etwas unterhalb des 25. Breitengrades südlicher Breite gelegen, befindet sie sich auf der ersten Hochebene nach dem Gebirgszug der “Serra do Mar”, die sich an der Ostküste Brasiliens entlangzieht. Das Stadtgebiet wird von vielen Flüssen durchzogen, von denen einige auch in demselben entspringen. Durch die Hí¶he von ca. 960 m über dem Meeresspiegel wird das subtropische Klima auf eine Jahresdurchschnittstemperatur von 17 Grad Celsius gemildert, wobei in der kalten Jahreszeit von Zeit zu Zeit Frost auftreten kann. Im Stadtgebiet leben ca. 1’600’000 Einwohner, zusammen mit den umliegenden Agglomerationsgemeinden ergibt sich eine Population von über zwei Millionen.

Zusammen mit den Grossstadtregionen um São Paulo und Rio de Janeiro kann Curitiba zum “industriellen Motor Brasiliens” gerechnet werden. Ebenso wie diese bekannten Megalopolen war Curitiba wí¤hrend der industriellen Revolution Ziel grosser Siedlerstrí¶me, die der Stadt in diesem Jahrhundert erschreckende Wachstumsquoten und damit fast unkontrollierbar wachsende Stadtrandsiedlungen bescherte.

Geschichte der Stadtentwicklung und -planung bis 1965 (Menezes 1996)

Die ersten Siedlungen von Einwanderern, die mit der intensiven Suche und Ausbeutung von Bodenschí¤tzen wie Gold und Mineralien in Verbindung standen, entwickelten sich am Anfang des 17. Jahrhunderts auf dem Gebiet der heutigen Stadt Curitiba, das damals von Eingeborenen der Stí¤mme Tupi-Guarani und Jê bewohnt war. Im Abschwung des Goldzyklus fingen die Bewohner an, eine agrarische Subsistenzwirtschaft aufzubauen. Nachdem die Siedlung im Jahr 1693 offiziell registriert wurde, erlangte sie als strategischer Punkt von Viehtransporten aus dem Süden zur Versorgung von Bergbaugesellschaften etwa in Minas Gerais im 18. Jahrhundert eine neue Bedeutung, indem sie eine Mí¶glichkeit für die Ã?Å?berwinterung der Herden bot.

Im Jahr 1842, als sich die Funktion der Stadt von einem strategischen Punkt auf den Viehtransportwegen zu einem strategischen Punkt des Mate-Teehandels wandelte, wurde ihr dann offiziell das Stadtrecht verliehen. Die Favorisierung der Stadt ergab sich aus der Lage an den zwei wichtigen Bergstrassen, die Curitiba und das Innere des Staates mit der Küste verbanden. Wenig spí¤ter, im Jahr 1853, wurde die Provinz São Paulo geteilt und Curitiba wurde mit damals etwa 6000 Einwohnern zur Hauptstadt der neugegründeten Provinz Paraná. Um den neuen Anforderungen an eine Hauptstadt gerecht zu werden, wurde ein franzí¶sischer Stadtplaner namens Taulois verpflichtet, um neue Anlagen zu erstellen. Daraus resultierte ein erster Plan für Curitiba, der “Plano Taulois“, der genau definierte rechte Winkel an den Strassenkreuzungen einführte und eine erste Vorahnung der zukünftigen Verkehrsflüsse durch die Innenstadt darstellte.

Aufgrund einer Nahrungsmittelkrise fí¶rderte die damalige Regierung der Provinz in der zweiten Hí¤lfte des 19. Jahrhunderts konsequent die Ansiedlung von Einwanderern europí¤ischen Ursprungs, mit dem Ziel, einen Gürtel mit landwirtschaftlichen Kolonien um die Stadt herum anzulegen, der den Versorgungsengpass überwinden würde. Die grí¶ssten Einwanderungsgruppen bildeten zuerst Deutsche, Polen und Italiener, danach Ukrainer, Franzosen, Englí¤nder und Âsterreicher. Gemí¤ss Schí¤tzungen des Brasilianischen Instituts für Geographie und Statistik (IBGE) zí¤hlte die Stadt im Jahr 1900 schon um die 50’000 Einwohner.

In dieser Zeit diversifizierte sich der Landbau gemí¤ss der unterschiedlichen Herkunft der Einwanderer und es bildeten sich Kleinindustrien, die sich zu einer lokalen unternehmerischen Elite transformierte, deren Credo harte und hingebungsvolle Arbeit war. Innerhalb der Einwanderungsgruppen, die sich in bestimmten Vierteln um das Stadtzentrum herum niedergelassen hatten, gab es starken ethnischen Zusammenhalt.

Als Reaktion auf zwei Epidemien in den Jahren 1889 und 1891, die viele Todesopfer gefordert hatten, wurden erste Wasserversorgungs- und Abwassernetze installiert, mit Zugtieren betriebene Strassenbahnen gab es ab 1887. Der 1885 angelegte, zentral gelegene Stadtpark “Passeio Publico” war für brasilianische Verhí¤ltnisse ein sehr fortschrittliches Element im Stadtbild.

Obwohl die wichtigsten í¶konomischen Interessen sich in der ersten Hí¤fte des 20. Jahrhunderts primí¤r auf das Land richteten, die Stí¤dte hingegen mehr als strategische Basis für die Autorití¤ten und kommerzialen Eliten dienten, gab es starke Bestrebungen, die Stadt zu verschí¶nern und zu “hygienisieren”. Der Bodenpreis wurde als Selektionsstrategie verwendet, um Bordelle, Spielsalons und Pensionen aus dem zentralen Bereich fernzuhalten. “Trunkenbolde, Kranke, Bettler, Einwanderer, Gammler und Prostituierte […] stí¶rten und bedrohten die Elite von Curitiba. Für die Erhaltung der politischen Ordnung wurden diese ‘vom Weg abgekommenen’ mit Gewalt in die Vorstí¤dte entfernt” (Shaaf und Gouvêa, 1991, S. 74, zitiert in Menezes, 1996, S. 62f.). Eine urbane Politik im engeren Sinne gab es nicht.

Der erste wirkliche Stadtentwicklungsplan “Plano Agache” ist nach dem franzí¶sischen Urbanisten Donat Alfred Agache benannt, der durch seine stadtplanerischen Arbeiten, vor allem die Erschaffung der australischen Hauptstadt Canberra 1903, grosses internationales Ansehen genoss. 1940 hatte Curitiba eine Beví¶lkerung von ca. 141’000 Einwohnern erreicht. Durch die anní¤hernde Verdoppelung der Beví¶lkerungszahl seit 1920 und die í¤usserst knappen, durch eine Wirtschaftskrise limitierten Mittel hatte sich die Infrastruktur, die seit 1911 auch elektrische Trambahnen und seit 1928 Omnibuslinien umfasste, drastisch verschlechtert.

Der Plan bestand aus einem Plan der Avenidas, aus der Einrichtung verschiedener funktionaler Zentren, einem Reglement für í¶ffentliche Arbeiten und Zonierung sowie aus der Regelung von Freirí¤umen und deren Verteilung. Die funktionale Zonierung wurde als Heilmittel für die Stadt angesehen, die als Organismus wahrgenommen wurde. Dabei wurden explizit die Funktionen Wohnen, Verkehr, Erholung und Arbeiten etabliert. Die Massnahmen erstreckten sich auf drei Hauptaspekte, die für die Lí¶sung der Probleme als wesentlich angesehen wurden:

Sanierung: Drainage von Sümpfen, Kanalisation von Flüssen und Regenwasserabflüssen, Wasserversorgungsnetz
Entstauung des Verkehrs: Stadtverkehr, externe Zufahrtsstrassen, Verteilung der Produktion
Funktionale Organe: Zentralisierung der Gebí¤ude der Staatsregierung (Centro Cí­vico), “Ausstrahlungszentren” des kommerziellen und sozialen Lebens, Milití¤rzentrum, Sportzentrum, Versorgung (Mercado Municipal), Erziehung (Centro Politécnico), Industrie
Der Plan für die Hauptverkehrsachsen basierte auf einer ringfí¶rmigen Gliederung des Raumes, wobei die 4 Ringe durch grosse Strassen definiert wurden und gleichzeitig eine soziale Klassierung der entsprechenden Bewohner mit Gefí¤lle nach aussen bedeuteten. Die Grundidee hinter dem Plan war also eine zentrale Versorgung und eine Ausrichtung der Stadt auf das Zentrum (Rabinovitch, 1993).

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